Ikigai: die japanische Lebenskunst

 

Ist dir auf deiner Selbstfindungsreise der Begriff „Ikigai“ schon begegnet? Ikigai ist die japanische Lebenskunst, die dir hilft, ein erfülltes und zufriedenes Leben zu führen. Auch in westlichen Ländern fasziniert dieses Prinzip immer mehr Menschen. Doch leider wird die Philosophie allzu oft falsch interpretiert.

In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Bedeutung von Ikigai, räumen mit gängigen Missverständnissen auf und betrachten, wie diese Philosophie zu unserer Gesundheit und einem langen Leben beitragen kann.

Die Herkunft von Ikigai – Tradition und Philosophie

 

Ikigai hat tief verwurzelte Ursprünge in der japanischen Kultur und ist alles andere als ein modernes Konzept.

In Japan versteht man darunter eine Art „existenzielle Erfüllung“, die nicht unbedingt mit äußeren Erfolgen oder materiellen Dingen verbunden ist.

Es ist ein allumfassendes Konzept, das durch das tägliche Leben fließt – sei es in der Arbeit, im Familienleben oder in der Gemeinschaft.

Im japanischen Alltag ist Ikigai eher eine ruhige, nicht allzu laute Philosophie. Es geht nicht um das hektische Streben nach Erfolg, sondern darum, die Schönheit und den Wert im Alltäglichen zu erkennen.

Man könnte fast sagen, dass Ikigai in Japan genauso selbstverständlich ist wie das Atmen – ein Teil des Lebens, das den Menschen hilft, sich im oft herausfordernden Alltag zu orientieren.

Es ist eine Form der tiefen Achtsamkeit, die sich durch alle Lebensbereiche zieht – jeden Tag des Lebens.

Das erfolgreiche Buch von Ken Mogi erläutert die 5 Säulen des Ikigai:

 

1. Klein anfangen

2. Loslassen lernen

3. Harmonie und Nachhaltigkeit leben

4. Die Freude an kleinen Dingen entdecken

5. Im Hier und Jetzt sein

Auf dieser Grundlage bildet sich Ikigai ganz natürlich. Die fünf Säulen des Ikigai folgen keiner Reihenfolge und keiner Hierarchie. Sie stützen einander und schließen sich nicht aus. Sie sind zentral für das Verständnis von Ikigai und dienen als Wegweiser für ein Leben voller Sinn und Bedeutung.

Was ist Ikigai? Die Bedeutung der japanischen Lebenskunst

 

Das Wort „Ikigai“ setzt sich aus zwei japanischen Begriffen zusammen: „iki“ (von ikiru = Leben) und „gai“ (von kai = Wert). Es lässt sich grob mit „der Wert des Lebens“ übersetzen.

Doch die wahre Bedeutung geht viel tiefer:

Das, wofür es sich zu leben lohnt.

 

Übertragen auf das Leben in westlichen Ländern heißt das: Es ist eine Lebenshaltung, die die Balance zwischen vier essenziellen Aspekten schaffen soll:

  1. Was du liebst – Das, was dir Freude bereitet = deine Leidenschaft.
  2. Was die Welt braucht – Dein Beitrag zu einer größeren Sache oder der Gesellschaft = deine Mission.
  3. Worin du gut bist – Deine Fähigkeiten, die dich einzigartig machen = deine Berufung/Wirksamkeit.
  4. Wofür du bezahlt werden kannst – Der Nutzen, den du stiftest = dein Beruf.

 

Ikigai Venn-Diagramm mit 4 Aspekten

Der zentrale Wert von Ikigai liegt aus der westlichen Perspektive in der Schnittmenge dieser vier Aspekte. Es geht nicht darum, sich ausschließlich auf einen dieser Punkte zu konzentrieren, sondern zu verstehen, wie sie miteinander interagieren, um ein Leben mit Sinn und Zweck zu schaffen. Ikigai ist dabei weniger ein „Ziel“, sondern vielmehr eine Reise der kontinuierlichen Entdeckung und Integration dieser Aspekte in den Alltag.

Doch kann das wirklich gelingen? Oder gibt es einen Haken?

 

Der Ikigai-Irrtum – Was das westliche Verständnis verzerrt

 

Im Westen hat sich Ikigai fast selbständig und ohne böse Absicht in eine Formel verwandelt: das Ikigai-Venn-Diagramm (siehe oben), das uns auffordert, unsere Passion, Berufung, Mission und unser Einkommen zu kombinieren, um unser „wahres Ikigai“ zu finden.

Diese Darstellung ist jedoch eine bequeme Vereinfachung und verzerrt das ursprüngliche Konzept.

Findige Coaches weltweit haben sich stillschweigend auf diese Venn-Grafik geeinigt und setzen sie häufig ein. Zurück geht die Grafik auf das „Propósito Venn Diagram“, das der spanische Astrologe Andrés Zuzunaga kreiert hat. Propósito heißt übersetzt: Bestimmung, im Englischen: Purpose. Deshalb stand dieser Begriff ursprünglich im Zentrum des Diagramms.

Der Blogger Marc Winn hat dieses Diagramm in einem TED-Talk gesehen und es spontan und ohne Hintergedanken mit seinem Wissen über Ikigai kombiniert. Er setzte den Begriff „Ikigai“ in den zentralen Schnittpunkt. Damit hat er, ungewollt, ein neues Meme kreiert, das sich hundert millionenfach in der Welt verbreitet – bis heute.

Mit dem wahren Ikigai, wie es in Japan praktiziert wird, hat das allerdings nichts zu tun, wie auch Marc Winn bestätigt.

Ikigai ist kein einfacher Cocktail aus Leidenschaft, Erfolg und Geld

 

Es ist vielmehr eine ganzheitliche Praxis, die weniger von äußeren Bewertungen abhängt, sondern mehr von einer inneren Balance und einem kontinuierlichen Dialog mit sich selbst.

Zu sagen, dass Ikigai einfach in einem perfekten Job oder einem finanziellen Erfolgsmuster zu finden ist, verfehlt das Ziel deutlich.

Ikigai ist nicht das Streben nach „mehr“, sondern das Erkennen des „Werts“ in dem, was bereits ist. Auch in dir selbst. Es geht also darum, die Fülle zu erkennen, die da ist – nicht um das mühsame Erschaffen von Fülle.

Und genau das fällt Menschen, die im kapitalistischen Umfeld aufgewachsen sind und sozialisiert wurden, enorm schwer. Wenn mit etwas kein Geld verdient werden kann, ist es nichts wert – so die häufige Annahme.

„Was nichts kostet, ist nichts wert!“

 

Plus: Es ist im Prinzip nicht möglich, in kapitalistischen Ländern ohne Geld zu überleben. Geld wird deshalb unter anderem für das Messen des Selbstwerts herangezogen – fatalerweise.

 

Selbstwert und Ikigai

 

Ikigai bietet dafür eine Alternative, die viel nachhaltiger ist als das kurzfristige Streben nach Geld und Erfolg.

Stell dir vor, du erkennst in allem, was dir begegnet und passiert, etwas, wofür es sich zu leben lohnt.

  • Wie reich ist dann dein Leben?

  • Musst du dafür etwas erreichen, das du noch nicht hast?

  • Kostet das, was du erkennst, Geld?
  • Was musst du dafür leisten?
  • Brauchst du eine Strategie oder Ziele, auf die du hinarbeitest?

  • Oder kannst du jeden Tag frohen Mutes aufstehen und dir sicher sein, dass alles in deinem Sinne passiert?

Wenn du jeden Tag wie ein Geschenk begrüßt und jede Situation, die dir begegnet, als wertvoll einschätzt, dann ist dein ganzes Leben ein Geschenk – ein sehr wertvolles.

Mit einer Haltung wie dieser sorgst du dafür, dass du jeden Tag unzählige positive Erlebnisse mit dir selbst in Verbindung bringst.

Die so entstehenden Selbstbewertungen zahlen alle auf deinen Selbstwert ein und stärken ihn kontinuierlich. Je häufiger du dein Leben und dich selbst positiv bewertest, desto stabiler wird dein Selbstwert.

Doch damit nicht genug: Ikigai sorgt sogar dafür, dass du gesund bleibst und länger lebst.

 

2 ältere Frauen und ein älterer Mann schneiden Grimassen für ein Selfie. Ikigai verlängert das Leben.

Ikigai und Gesundheit – Wie Ikigai dein Wohlbefinden fördert

 

Ikigai wirkt sich nicht nur auf den Geist aus, sondern hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf unsere physische und psychische Gesundheit.

Warum ist das so? Weil Ikigai das angenehme Gefühl von Kontrolle, Sinn und Richtung stärkt. Es reduziert Stress, da wir nicht ständig mit den Fragen beschäftigt sind, ob wir genug tun oder sind oder ob wir genug erreichen.

Vielmehr lernen wir, im Moment zu leben und das zu schätzen, was wir haben. Diese Art von Achtsamkeit fördert nicht nur das emotionale Wohlbefinden, sondern unterstützt auch das Immunsystem und das Herz-Kreislaufsystem, da unser Stresslevel sinkt und unsere Zufriedenheit steigt.

In zahlreichen Studien konnte belegt werden, dass Menschen, die ein starkes Gefühl für die Bedeutsamkeit ihres Lebens haben, weniger unter chronischen Krankheiten leiden. Sie weisen ein geringeres Risiko für Depressionen auf und empfinden und genießen eine bessere Lebensqualität.

Die Langzeit-JAGES-Studie aus Japan fand bei einer Gruppe von 10.867 Probanden heraus, dass das Vorhandensein von Ikigai u. a. zu geringeren Risiken, an Demenz zu erkranken führte. Andere Studien zeigen auf, dass Ikigai stressreduzierend wirkt, während die psychische Widerstandskraft gestärkt wird. Studien unter Studierenden zeigen, dass Menschen mit starkem Ikigai mehr Lebensfreude, Zufriedenheit und seelische Stabilität empfinden.

Die Lebensdauer verlängert sich dank Ikigai

 

In den sogenannten „Blauen Zonen“, das sind Regionen der Welt, in denen die Menschen besonders alt werden (wie etwa in Okinawa, Japan), spielt Ikigai eine zentrale Rolle. Die Menschen dort berichten oft, dass sie einen klaren Lebenszweck haben, der sie motiviert, jeden Tag aufzustehen und aktiv zu bleiben.

Ikigai trägt dazu bei, ein starkes soziales Netzwerk zu pflegen und gesunde Gewohnheiten zu entwickeln, die mit einem langen Leben verbunden sind. Es fördert nicht nur die psychische Gesundheit, sondern auch die körperliche Aktivität, da ein erfülltes Leben oft mit einer positiven Einstellung zur Bewegung und Ernährung einhergeht.

Auch hierzu gibt es Studien, die bestätigen, dass sich eine grundlegende positive Lebenshaltung auf die Lebensdauer auswirkt. Die umfangreiche Ohsaki-Studie mit über 43.000 Teilnehmenden, verdeutlichte, dass das Fehlen von Ikigai mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate verbunden ist.

Ein zahrter Schmetterling in hellen Farben sitzt auf einer pinkfarbenen Blume und trinkt Nektar. Ikigai und die Schmetterlingsfrequenz

Ikigai und die Schmetterlingsfrequenz

 

Je mehr ich über Ikigai lerne, desto mehr spüre ich, wie es sich mit meinen Erfahrungen bei der Selbstfindung deckt.

Es hebt sich deutlich von John Streleckys Ansatz (Zweck der Existenz + Big Five for Life) ab. Denn es bleibt nicht an der Oberfläche, sondern geht tiefer und betrachtet das Leben vollkommen.

Ja, es stellt das westliche Lebensmodell und die Ausrichtung auf messbaren Erfolg mutig infrage.

Wenn ZDE und BFFL die Pflicht sind, ist Ikigai die Kür, die zur Schmetterlingsfrequenz führt

 

Auf der Schmetterlingsfrequenz haben die typischen „Werte“ der Wirtschaftswelt nicht mehr so viel Bedeutung. Besitz, Geld, Karriere, Wachstum – all das sind Begriffe, mit denen Schmetterlinge sich nicht mehr so stark (oder gar nicht) identifizieren können. Sie nähren ihren Selbstwert nicht mit Äußerlichkeiten.

Denn: Schmetterlinge wachsen nicht, sie wirken. Indem sie ihre Lebensaufgabe ganz natürlich erfüllen – unabhängig von ihrem Alter, ihrem Job und ihrer gesellschaftlichen Stellung.

Sie wissen, wie wichtig Selbstfürsorge, gesunde Ernährung, Bewegung, Natur und harmonische Beziehungen sind, um die eigene Lebensaufgabe nachhaltig erfüllen zu können.

Wenn du auf der Schmetterlingsfrequenz schwingst, wirst du mit Ikigai sehr viel anfangen können. Denn es bestätigt dich und deine Haltung zum Leben, zu deiner Lebensaufgabe und zum Sinn deines Lebens.

Fazit: Es lohnt sich, das Ikigai zu entdecken

 

Ikigai ist weit mehr als ein Konzept, das uns zum Erreichen von beruflichen oder persönlichen Zielen motiviert. Es ist eine tiefe, innere Ausrichtung, die unser Leben in einem größeren Kontext versteht.

Die wahre Kraft von Ikigai liegt in seiner Fähigkeit, uns mit einem tieferen Sinn zu verbinden. Dabei bereichert es unser Leben jeden Tag und fördert unsere Gesundheit für eine lange Lebensdauer.

Ist das nicht wundervoll?

 

Teile deine Sichtweise und Erfahrungen mit Ikigai gerne in den Kommentaren. Vielen Dank im Voraus.

 

Deine Gabriele

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