Schlagwörter sind mir ein Gräuel. Genauso wie Schablonen und wie Schubladen. Alles viel zu „normal“.
Schlagwörter kommen irgendwann in Mode, werden inflationär genutzt, und bald weiß keiner mehr, was sie bedeuten. In der Tat wussten die meisten es wahrscheinlich nie.
So ging es mir mit dem Schlagwort New Work. Ganz ehrlich: ich dachte lange, das sei eine Wortschöpfung von XING und habe das nicht so ernst genommen. Bis ich vor einigen Monaten für einen Artikel zur Zukunft der Arbeit recherchierte und dabei mit Hilfe von Wikipedia auf Frithjof Bergmann, den Erfinder von New Work (Neue Arbeit), stieß.
Ich war erleichtert, berührt und total einverstanden mit seiner Definition:
„Bergmann geht es darum, dass jeder Mensch eine Arbeit finden kann und sollte in Übereinstimmung mit seinen eigenen Wünschen, Hoffnungen, Träumen und Begabungen.“
Hoch erfreut war ich, als ich im Programm der XING New Work Experience 2017 (#nwx17) entdeckte, dass Frithjof Bergmann nach Berlin kommen würde um über New Work zu sprechen. Wie gut, dass ich eine Einladung zur Konferenz bekommen hatte. Das war kein Zufall!
New Work – gibt’s das überhaupt?
Die gesamte Konferenz von XING war sehr hochwertig organisiert: 800 begeisterte New Worker, eine beeindruckende Liste der SprecherInnen und Workshop-LeiterInnen, viel Unterhaltung, tolles Essen und unglaublich viel Information.
Schnell wurde allerdings deutlich, wie das mit Schlagwörtern so ist: Unter New Work versteht jeder etwas anderes. Home Office, flache Hierarchien, Teilzeit, familienfreundliche Arbeit, Digitalisierung, Agilität, Open Space – all dies und noch viel mehr hörte man in Gesprächen. Ich habe übrigens niemanden getroffen, der ernsthaft Obstkörbe oder Kickertische zu New Work zählte.
Die Experten, Denker und Praktiker stellten ebenfalls völlig unterschiedliche Ansätze, Vorstellungen und Lösungen vor. Vieles fand ich sehr gut, anderes irgendwie fehl am Platz. Bei manchen Themen fragte man sich, ob sie nur wegen des dazu gehörigen Sponsorings ins Programm genommen wurden.
Viele der Ansätze sind sicher irgendwie Teil von einer neuen Art zu arbeiten. Denn: sie sind ganz klar nicht „alt“. Andererseits sind viele davon auch nicht neu, selbst wenn sie einen hippen Namen haben. Das meiste könnte man einfach unter „menschlich sein“ zusammenfassen, dazu bräuchte es keine, ähäm, Schlagwörter.
Mein Zwischenfazit lautete deshalb:
Mein Zwischenfazit zur #nwx17: THE New Work gibt es nicht. Es gibt ganz viele Möglichkeiten. Und das ist gut so. #keineSchablonen
— Gaby Feile (@kommplizin) 30. März 2017
Ein Problem in Büroetagen?
In den Vorträgen, Workshops und Gesprächen wurde deutlich, dass das Thema New Work hauptsächlich in Kreisen diskutiert wird, die in irgendeiner Form mit Kopf- oder Büroarbeit zu tun haben. Die anderen Formen von Arbeit, die ja viel länger existieren und die, wie wir spätestens seit dem Jahr 2020 wissen, oft „systemrelevant“ sind, scheinen gar nicht vorzukommen.
Endlich: die Wahrheit über New Work
Es war schon halb sechs Uhr nachmittags als der „Vater“ des New-Work-Gedankens auf die Bühne kam. Der 87-jährige Frithjof Bergmann wurde zum Rap von Onkel Bernie im Rollstuhl auf die Bühne geschoben und war von Anfang an total „angeknipst“. Das nennt man wohl Charisma, wenn jemand sofort alle Sympathien auf seiner Seite hat. Irgendwie erinnerte er mit seiner Art ein bisschen an Helmut Schmidt – nur ohne Zigaretten.
Bergmann schaffte es, mit Charme, Humor, Schlagfertigkeit und absoluter Ehrlichkeit, all das, was wir den ganzen Tag gehört, diskutiert und erlebt hatten, völlig in Frage zu stellen. Denn ganz ehrlich: das hatte alles nicht wirklich etwas mit echter Neuer Arbeit zu tun, wie er sie sich seit den 1970ern vorstellt.
Er hatte damals die Aufgabe, Fließbandarbeitern in der amerikanischen Autostadt Flint eine neue berufliche Perspektive aufzuzeigen, als ihre Jobs gestrichen und durch Computer ersetzt wurden.
New Work wurde geboren, als er, zusammen mit seinem Team, folgende Lösung fand: Statt Massenentlassungen sollte es für alle Arbeiter die Möglichkeit geben, 6 Monate weiter im Unternehmen zu arbeiten. Während der nächsten 6 Monate kümmerten sich Experten im „Zentrum für neue Arbeit“ um die Menschen und halfen ihnen, herauszufinden, was sie wirklich, wirklich wollten.
Lebenslange Suche: Was willst du wirklich, wirklich?
Das Schwierige, so Bergmann, ist, dass die meisten Menschen überhaupt nicht wissen, was sie wirklich, wirklich wollen. Erziehung, Gesellschaft, Glaube usw. tragen ihren Teil dazu bei, dass wir uns selbst nicht gut genug kennen. Um herauszufinden, was es ist, was man wirklich, wirklich will, gehen die Experten in den Zentren für Neue Arbeit (von denen es weltweit immer mehr gibt) zum Beispiel so vor:
Sie fordern die Menschen auf, sich zu fragen:
„Gab es in den letzten Tagen etwas, das mir eine unerwartete „Freude“ (a „pleasure“) gegeben hat?“
Wenn es so etwas gab, dann lohnt es sich, darüber nachzudenken. Daraus lässt sich ableiten, was es genau ist, was dir Freude macht. Und daraus wiederum kann man schließen, was du tun kannst, um diese Freude regelmäßig zu spüren.
Das Ganze kann sehr lange dauern – und nicht nur das: Was wir wirklich, wirklich wollen ändert sich häufig. Deshalb haben die Berater in den Zentren für Neue Arbeit in der Regel eine langfristige Verbindung zu ihren Klienten.
Die allerwichtigste Aussage
„Die Gesellschaft der Zukunft wird eine Zukunft sein, in der alles alles stärkt. Vom Kindergarten an stärken wir Menschen. Das ist es, was wir brauchen!“
Diese Aussage wurde zum markanten Schlusswort von Bergmanns Auftritt, weil es die Zuschauer nicht mehr auf ihren Plätzen hielt. Sie ehrten ihn mit stehenden Ovationen.
Und ich glaube, dass er damit den Punkt in den Menschen berührt hat, um den es wirklich, wirklich geht! Wir alle haben Talente und Stärken, die wir gerne nutzen wollen. Vielleicht kennen wir diese noch gar nicht, aber wir können sie entdecken.
Und wie geht das Ganze praktisch?
Diese Frage schwebte nicht nur in Berlin im Raum. Sie beschäftigt viele Menschen, die sich eine Neue Arbeit wünschen. Antworten darauf gibt es hier:
Frithjof Bergmann kam am Heiligabend, also am 24. Dezember 1930, zur Welt und verließ sie am 23. Mai 2021 – einem Pfingstmontag. Welch passende Zeitmarkierungen für ein erlebnis-reiches Leben.
Es geht mir ans Herz, dass ich mein E-ssay „Die Wahrheit über New Work“ bei Erscheinen im November 2020 ihm, seiner Vision und seinem Lebenswerk gewidmet habe.
In den Kreis der Nachrufschreibenden möchte ich mich nicht einreihen. Stattdessen werde ich weiterhin New Work by Frithjof Bergmann mit der Welt teilen.
Mehr zum Thema „New Work"
Die „Geheimnisse“ hinter diesem Artikel findest du im E-ssay „Die Wahrheit über New Work.“ Dort beleuchtet Gabriele Feile, wie „Neue Arbeit“ wirklich gemeint ist und wie daraus eine „Neue Kultur“ werden kann.
Wir schwingen auf der #Schmetterlingsfrequenz.
Wer vollkommen bei sich selbst ankommen will, nimmt sich Schmetterlinge als Vorbild: Sie ent-falten sich und zeigen der Welt ihre Farben beim Fliegen.
Auf der Schmetterlingsfrequenz gibt es keinen hinderlichen Ballast mehr. Nichts hält dich davon ab, ein erfülltes Leben zu führen.
Starte zur Schmetterlingsfrequenz
Über Gabriele Feile:
Gabriele ist angekommen auf der #Schmetterlingsfrequenz und erfüllt ihre Lebensaufgabe: Brücken bauen.
Sie ist sich sicher: Je mehr Menschen so sind, wie sie gedacht sind und tun, wofür sie gemacht sind, je ausgeglichener ist die Welt.
Gabriele fliegt voraus, blickt aus großer Distanz auf die Welt und kann scheinbare Gegensätze verbinden und Brücken zu unerreichbaren Orten bauen.
Wenn du dir den Auftritt von Frithjof Bergmann in Berlin anschauen willst, empfehle ich dieses knapp 1-stündige Video:
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