Kommt Beruf wirklich von Berufung?
Es ist ein beliebtes Wortspiel: Beruf kommt von Berufung. Damit wird allzu oft und zu gerne begründet, dass wir unsere Erfüllung im Beruf finden müssen. Wer den richtigen Beruf wählt, ist glücklich bis ans Lebensende – so geht die Erzählung. Stimmt das wirklich? Macht die Arbeit glücklich? Gilt unbezahlte Care-Arbeit auch als Beruf? Und heißt das, Menschen, die keinen Beruf ausüben können, haben auch keine Berufung? In diesem Beitrag gibt es Antworten auf diese Fragen.
Ist das Arbeit oder kann das weg?
Viele Menschen in westlich geprägten Gesellschaften suchen ihren höheren Lebenssinn in der Arbeit. Neben Einkommen und Status soll sie auch noch Sinn liefern – für ein erfülltes Leben. Purpose heißt das heutzutage. Damit ist gemeint, dass die Tätigkeit, der man nachgeht, eine Bedeutung haben soll. Man will Teil einer relevanten Mission sein.
Da viele Unternehmen damit nicht aufwarten können, denken sie sich eine wohlklingende Mission oder einen Purpose aus. Dieser hat oft gar nichts mit ihrem ursprünglichen Unternehmenszweck zu tun. Das wohl extremste Beispiel der letzten Jahre: Die Waffenindustrie will sich als „nachhaltig“ einstufen lassen.
Was ist sinn- und wertvolle Arbeit?
Die Aufgaben, die sinnvoll sind für die Gesellschaft, haben zu Unrecht einen schlechten Ruf. Sie sind offensichtlich anstrengend und werden schlecht bezahlt. Denken wir an Pflegekräfte, Busfahrerinnen, Erzieher. Diese Berufe dienen der Gesellschaft und allen Menschen in hohem Maße – und dennoch sind sie vielen Menschen nicht sinnstiftend genug.
Um einem unspektakulären Bürojob wenigstens einen Hauch von Sinn zu geben, versuchen immer mehr Menschen, sich den Traumjob selbst zu gestalten. Sie fordern optimale Arbeitsbedingungen, wollen ein Team führen, im Homeoffice arbeiten, flexible Arbeitszeiten, eine 4-Tage-Woche, gelegentliche Workations – und ein hohes Gehalt bei idealerweise geringer Verantwortung.
New Work ist schon ziemlich alt
Es hat sich eingebürgert, all diese Maßnahmen unter dem schönen Begriff New Work einzuordnen. Auch wenn New Work im Original etwas anderes bedeutet. Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann prägte den Begriff schon in den 1980er Jahren.
Sein Konzept sieht vor, dass Lohnarbeit schlicht und ergreifend für ein Basiseinkommen da ist und rund ein Drittel der gängigen Arbeitszeit in Anspruch nehmen soll. Ein weiteres Drittel dient der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und dem eigenständigen Herstellen von Gebrauchsgegenständen. Das verbleibende Drittel schließlich sollen Menschen dazu nutzen, Antworten auf die Frage zu finden:
Was willst du wirklich, wirklich?
Diese Frage hat Frithjof Bergmann schon vor vielen Jahrzehnten gestellt. Er begleitete mit seinem Team Männer und Frauen der amerikanischen Automobilindustrie, die ihren Job verlieren sollten. Dabei fanden sie heraus, dass die meisten Menschen gar nicht wissen, was sie wirklich, wirklich wollen. Sie folgten schon damals den gesellschaftlichen Anforderungen und taten, was „man“ so tat. Daran hat sich bis heute kaum etwas verändert.
Berufung kommt von Ruf
Menschen fischen im Trüben, wenn sie gefragt werden, was ihre Berufung ist. Je mehr Jobs sie ausprobieren, desto frustrierter sind sie, wenn sie feststellen, dass die Erfüllung ausbleibt – trotz aller Errungenschaften.
Die Berufung, die jeder Mensch mit auf die Welt bringt, lässt sich auf einen Ruf zurückführen – im Englischen heißt das Calling. Es ist der Ruf, der Menschen in ihrem Leben ereilt. Sie sind zu etwas berufen. Doch wozu nur?
Das herauszufinden ist Teil des Selbstfindungsprozesses, der oft schon in der Pubertät beginnt. Allerdings findet der Prozess häufig ein frühes Ende, weil das Erlangen von gesellschaftlicher Anerkennung einträglicher erscheint.
Erst rund um den 40. Geburtstag nehmen viele Menschen den Prozess wieder auf. Die erste Hälfte des Lebens ist geschafft und die Frage: War das alles? drängt sich immer häufiger in den Vordergrund.
Wer sich den Sinnfragen stellt und Antworten sucht, stellt bald fest: Es gibt kein Zurück. Mit jeder Antwort zeigt sich ein neuer Aspekt unserer komplexen Persönlichkeit. Wie bei einer Zwiebel gibt jede gelöste Schicht den Blick auf eine weitere frei.
Beruf und Berufung: die Lebensaufgabe
Wer den Prozess bis zum Ende vollzieht, wird feststellen: Es gibt eine Aufgabe in meinem Leben, die schon von Anfang an da war, also seit der Geburt.
Diese Lebensaufgabe ist es, die unserem Leben einen Sinn gibt. Das Beste: Wir haben alles mitbekommen, um die Aufgabe mühelos erfüllen zu können. Es braucht keine speziellen Ausbildungen dafür. Unsere Gaben reichen völlig aus.
Meist ist unsere Lebensaufgabe etwas, das uns selbst ganz unspektakulär vorkommt. Es sind die kleinen, wiederkehrenden Gesten, Tätigkeiten oder Aufgaben, die wir ganz automatisch übernehmen. Wir folgen ganz instinktiv unserer Begabung – ob bei der Arbeit, in der Familie, als Kind oder als Seniorin.
Die Vision einer besseren Welt
Mit dieser Erkenntnis können wir endlich die Jagd nach dem Traumjob beenden, der uns Erfüllung bringen soll. Viel einfacher und erfüllender ist es, unsere Lebensaufgabe zu entdecken und täglich auszuüben.
Damit enden das stetige Kämpfen, das elende Vergleichen und der giftige Neid. Denn wenn Menschen vollkommen bei sich selbst angekommen sind und das tun, wofür sie gemacht sind, verspüren sie einen inneren Frieden. Sie sind erfüllt und erfüllen ihre Aufgabe.
Ich bin sicher: Je mehr Menschen ihre Lebensaufgabe erfüllen, desto ausgeglichener und friedlicher wird die Welt!
Deine Gabriele
PS: Hast du deine Lebensaufgabe gefunden und folgst deiner Berufung? Erzähle in den Kommentaren davon.
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