Foto: Michael Campos Viola, camposviola.de
Introvertiert sein: das scheint auch heute noch eher als Makel zu gelten. Unsere Welt feiert die Lauten, die mit den vielen Followern und die, die in Meetings das Wort führen. Oft wird all dies von Führungskräften erwartet. Warum eigentlich?
Was für eine Erleichterung!
Es ist noch nicht allzu lange her, dass ich plötzlich – und sicher ganz und gar nicht zufällig – die eindeutige Erkenntnis hatte: Ich bin ein introvertierter Mensch.
Als sich dieser Satz in meinem Kopf formte und ich ihn immer wieder laut aussprach (zunächst nur für mich, später gegenüber anderen Menschen), fühlte ich mich jedes Mal wohler. Es ist ein äußerst friedliches Gefühl – so, als ob ein langer, innerer Kampf endlich vorbei ist.
Introvertiert? Ich doch nicht!
Das alles war keineswegs immer so. Fast mein ganzes Leben lang habe ich mich selbst als extrovertierte Person wahrgenommen. Ich komme leicht mit Menschen ins Gespräch, bin oft diejenige, die andere anspricht, liebe es, auf der Bühne zu stehen und bin jemand, mit der andere Menschen gerne zusammen sind. Egal ob Kaffeekränzchen, Party oder Business-Veranstaltung: In solchen Runden steuere ich meist eine positive Energie bei und sorge dafür, dass andere sich wohlfühlen.
Von meinen Mitmenschen habe ich folglich genau das gespiegelt bekommen: Die meisten hielten mich für eine „Rampensau“, also für jemanden, die gerne im Mittelpunkt steht und andere motivieren, führen und unterhalten kann.
Selbst bei einschlägigen Persönlichkeitstests, die ich zuhauf gemacht habe, waren die Bereiche, in denen es um die Interaktion mit Menschen geht, häufig dominierend. Beim sehr bekannten Myers-Briggs-Persönlichkeitstest war das Ergebnis sogar sehr deutlich: Ich bin extrovertiert!
Wie passt das bloß zusammen?
Wenn ich zurückblicke, sehe ich ganz deutlich, wie es so weit kommen konnte und warum die Erkenntnis so lange auf sich warten ließ. Damit diese sich klar zeigte, musste ich mich zunächst selbst komplett ent-wickeln. Ich habe die Metamorphose vollendet: Vom Ei zur Raupe werden, im Kokon verpuppen und schließlich als Schmetterling schlüpfen. Und jetzt, als bunter Falter, erkenne ich die Zusammenhänge ganz klar. Aus der Luft geht das einfach besser.
Den meisten von uns passiert dasselbe
Wenn wir zur Welt kommen, ist alles vorhanden. Unsere „Grundausstattung“ ist vollkommen, das heißt, wir haben alles, was wir für die Aufgabe in diesem Leben brauchen. Als kleine Kinder nehmen wir das als selbstverständlich hin. Wir folgen unserem persönlichen Pfad, kennen keinen Ballast und wissen auch nicht, was uns sonst davon abhalten könnte, jederzeit wir selbst zu sein. Unsere Glaubenssätze sind pur und rein, sie sind dafür da, unser Leben voll und ganz zu er-leben.
Doch dann, wenn wir 5 oder 6 Jahre alt sind, passiert etwas. All das Wissen wird an einem anderen Platz in unserem System gespeichert und die Erinnerung daran wird immer mehr zugeschüttet mit Glaubenssätzen anderer Menschen, also der Erwachsenen, die uns auf unserem Weg begleiten: Eltern, Erzieher, Lehrerinnen, Verwandte etc. So vergessen wir immer mehr, wer wir wirklich sind, und wofür wir hier sind.
Anpassung, um dazu zu gehören
Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist bei Menschen besonders stark ausgeprägt. Das kommt vermutlich daher, dass unsere Vorfahren, als sie noch durch die Steppe zogen, nur als Teil einer Gruppe überleben konnten. Wer alleine war, hatte keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung und war den Gefahren der Natur, zum Beispiel wilden Tieren, ungeschützt ausgeliefert.
Noch heute verspüren wir also den starken Drang, zu einer Gruppe gehören zu wollen. Wir wollen von den anderen akzeptiert, wahrgenommen und geliebt werden.
Das zeigt sich ganz intensiv in der Familie, in die wir hineingeboren werden. Als Säuglinge und Kleinkinder sind wir auf die Versorgung durch Erwachsene angewiesen. Und bereits im ganz frühen Stadium unseres Lebens lernen wir, was zu tun ist, um die für uns so lebenswichtige Aufmerksamkeit zu bekommen.
Später verstehen wir besser und aktiv, wie unsere Eltern reagieren, wenn wir bestimmte Dinge tun oder nicht tun. Also verstärken wir die Verhaltensweisen, die uns das bringen, was wir wollen: Liebe.
Außerdem lernen wir, andere Verhaltensweisen zu unterdrücken, weil sie unsere Eltern zum Beispiel wütend machen oder ungeduldig. Wir sind brav, still oder unkompliziert, um diejenigen, die uns am nächsten stehen, nicht zu reizen oder gar zu verlieren. Die Angst vor dem Verlassenwerden kann sehr stark sein.
Wir passen uns also an, verändern unser Verhalten und entfernen uns damit immer mehr von unseren Grundvoraussetzungen, mit denen wir unser Leben begonnen haben. Und damit von unserer wahren Lebensaufgabe.
So wurde ich scheinbar extrovertiert
Ich kann heute sagen, dass ich mich im Laufe der Jahre selbst zu einem extrovertierten Menschen gemacht habe. Ich habe quasi dafür trainiert. Um dazu zu gehören. Und geliebt zu werden. Um „richtig“ zu sein.
Meine Kindheit verbrachte ich als Teil einer großen erweiterten Familie: viele Onkel und Tanten, immer mehr Cousins und Cousinen – und auch die weiteren Zweige der Verwandtschaft waren unzählig. Es gab viele Gelegenheiten, bei denen der „Clan“ zusammenkam: Hochzeiten, Beerdigungen, Taufen, Geburtstage etc. Die Tatsache, dass meine Großeltern ein Gasthaus besaßen, wo genügend Platz für alle war, half natürlich.
Jeden Tag trafen sich im Gasthaus bekannte und fremde Menschen, manche kamen regelmäßig, andere nur einmal, wieder andere blieben über Nacht. Es war ein stetiges Kommen und Gehen, langweilig wurde es nie.
Ungefähr die Hälfte meiner Zeit verbrachte ich in und um das Gasthaus herum, weil meine Mutter dort mitarbeitete. Wir Kinder waren Teil des „Systems“, liefen so nebenher und lernten spielerisch, viel zu arbeiten, Gäste zu bewirten und mit Menschen umzugehen.
Ich genoss die Abwechslung und lernte sehr viel fürs Leben. Außerdem war stets jemand da, der mir Aufmerksamkeit gab. Immer, wenn es mir zu viel und zu laut wurde, und das war mindestens einmal am Tag, zog ich mich zurück.
Ich erinnere mich noch, dass ich für ein bis zwei Stunden alleine in Omas Stube war, um zu lesen oder fernzusehen oder einfach nur abzuhängen. Ich musste dem Trubel einfach entkommen. Man ließ mich gewähren, doch so richtig traf das nicht auf Verständnis. Und je älter ich wurde, desto seltener machte ich es.
Denn ich hatte mir antrainiert, unter Menschen zu „performen“. Ich wollte so sein, wie die meisten anderen, die mit mir verwandt waren: kommunikativ, laut, gesellig. Denn, wer anders war oder ist, galt und gilt in diesem Kreis als außenstehend. Auch meinen Eltern wollte ich es recht machen, die mehr als einmal fragten: „Warum kannst du nicht so sein wie die anderen?“ Erst vor kurzem habe ich einen meiner Onkel über einen „Angeheirateten“ etwas despektierlich sagen hören: „Der ist nicht so wie wir. Er geht nicht gerne unter Leute.“ Bäm!
Es hat mir einerseits nicht geschadet, so aufzuwachsen, denn dank dieses Trainings ist es mir noch heute möglich, egal wo auf der Welt, wildfremde Menschen anzusprechen und sie um Hilfe zu bitten. Ich kann Small Talk in allen erdenklichen Situationen halten (wenn auch nicht immer gerne) und es fällt mir leicht, mich in eine Gruppe zu integrieren oder andere Menschen dabei zu unterstützen, sich in ein Team einzufügen.
All das gehört sicherlich zu einem gewissen Grad zu meiner „Grundausstattung“, und durch das Training wurde es besonders gefördert. Es ist auch nicht so, dass ich nicht gerne unter Menschen bin. Ich mag Menschen sehr gerne und fühle mich wohl in Gruppen.
Allerdings überwältigt mich das alles nach einer Weile, und ich brauche ganz dringend Zeit und Raum für mich ganz alleine. Nur so kann ich Energie tanken, quasi meine Batterien laden. Ich brauche mindestens 60 % (lieber 75 %) der Zeit für mich, um für die verbleibende Zeit mit anderen Menschen genug Energie zu sammeln.
Extrovertierte und Introvertierte
C. G. Jung, der berühmte schweizer Psychiater, hat die beiden Persönlichkeitstypen Anfang des 20. Jahrhunderts definiert. Wer extrovertiert ist, (der korrekte Begriff lautet extravertiert, umgangssprachlich nutzen wir jedoch meist extrovertiert), zeichnet sich nach Jungs Modell als kontaktfreudig, gesellig, gesprächig, aktiv, enthusiastisch sowie mimisch und gestisch ausdrucksstark aus. Extrovertierten wird ein starker Wille zum Handeln und Gestalten zugeschrieben, und meist bezeichnen wir Menschen, die bestimmt und selbstbewusst auftreten, intuitiv als extrovertiert. Manchmal wird das auch negativ interpretiert, wenn wir diese Menschen dominant, ehrgeizig oder selbstdarstellerisch nennen.
Typische Introvertierte sind demnach Menschen, die eher zurückhaltend und ruhig sind. Wer schüchtern ist, gilt oft als introvertiert. Wir haben dafür Bezeichnungen wie Bücherwurm, Mauerblümchen oder – etwas zeitgemäßer – Nerd gefunden. Oft gelten introvertierte Menschen nicht als gesellschaftsfähig oder als eigenbrötlerisch. Auf Partys trifft man sie eher nicht an, sie bleiben lieber zu Hause oder gehen ins Museum, anstatt sich die Nächte um die Ohren zu schlagen.
Je nach Statistik gelten bis zu zwei Drittel der Menschen als extravertiert, unsere Welt ist also eher laut. Wer es zu etwas bringen will, muss sich selbst gut darstellen können und allen davon erzählen. „Klappern gehört zum Handwerk.“ Die Sozialen Medien haben diesen Eindruck noch verstärkt: Aufmerksamkeit bekommt, wer am lautesten ist.
Kein Wunder, dass sich introvertierte Menschen oft fehl am Platz vorkommen, wenn sie von überall her dazu aufgefordert werden, doch endlich authentisch zu sein und ihre Persönlichkeit zu zeigen. Authentisch heißt für Introvertierte halt nicht, sich und ihre Produkte so laut wie die berühmten Fischhändler von Hamburg anzupreisen. Es heißt für sie, mit ihren Gedanken und Sichtweisen zu überzeugen und sich zum Beispiel kreativ auszudrücken.
Der wahre Unterschied
Obwohl diese Art der Unterscheidung nachvollziehbar ist, scheint sie doch zu plump für die Vielfalt, die wir Menschen darstellen. Ich habe herausgefunden, dass sich Introvertiertheit und Extrovertiertheit nicht unbedingt (nur) durch das Auftreten nach Außen zeigt. Wie man bei mir selbst sehen kann, sind viele Verhaltensweisen antrainiert und entsprechen nicht wirklich der Persönlichkeit. Außerdem gibt es, wie meist, Mischformen. Tatsächlich gibt es bessere Unterscheidungsmerkmale, die es leichter machen, sich selbst oder andere besser einzuschätzen:
- Extrovertierte haben eine nach außen gerichtete Haltung, das heißt, sie richten ihre Aufmerksamkeit und ihre Aktivitäten auf die „Welt da draußen“ aus. Alles, was sie mit der Welt und anderen Menschen in Verbindung bringt, ist für sie energetisierend: Mannschaftssport, Meetings, Vereinstreffen, Veranstaltungen, Shopping, Partys, Sightseeing, Social Media etc. Bei diesen Aktivitäten sammeln extravertierte Menschen Energie. Es kostet sie hingegen sehr viel Energie, wenn sie zu lange mit sich alleine sind.
- Introvertierte Menschen hingegen richten ihre Aufmerksamkeit am liebsten nach innen, in ihre eigene ganz persönliche Gedankenwelt. Diese ist voller Fantasie, komplexer Muster und Ideen, die es zu analysieren, zu ordnen und zu verknüpfen gilt. Am meisten Energie tanken Introvertierte, wenn sie mit sich alleine sind und dem Lärm der Welt entkommen können. Das kann in der Natur sein oder im gemütlichen Zuhause. Wenn die Batterien aufgeladen sind, haben introvertierte Menschen durchaus wieder Lust unter Menschen zu gehen. Aber nur in einem Rahmen, der ihnen guttut.
Von Partylöwen und Partymuffeln
Menschen nach dem Grad ihrer „Partyfähigkeit“ in eine Schublade zu stecken, greift zu kurz. Es gibt introvertierte Partylöwen, die auf den Bühnen dieser Welt brillante Vorträge halten und danach entsprechend viel Regenerationszeit benötigen. Und es gibt extrovertierte Partymuffel, die lieber zum Raften oder Klettern gehen, als sich mit Menschen zu unterhalten. Sich auf eine Bühne zu stellen käme ihnen nicht in den Sinn.
Viele Menschen in meinem privaten Umfeld genießen es, unter Menschen zu sein und von ihnen spürbare Reaktionen zu erhalten. Doch sie haben eine tierische Angst, alleine auf einer Bühne zu reden oder gar zu singen. Bei mir ist es umgekehrt: Ich genieße es, wenn ich zu einem Publikum reden darf und singe auch gerne solo. Mit dem Applaus, der dem Auftritt folgt, kann ich allerdings meist nicht umgehen, es fällt mir schwer, mich offen feiern zu lassen. Vielleicht fühle ich mich deswegen immer wohler vor einer Kamera, wie du auf meinem YouTube-Kanal beobachten kannst.
Der US-Psychologe Adam Grant fügt folgenden Blickwinkel hinzu:
„How introverted you are has nothing to do with how you interact with people. Sociable introverts love people but often get overloaded. Shy extraverts love adventure, but often avoid attention.“
(Wie introvertiert du bist, hat nichts damit zu tun, wie du mit Menschen umgehst. Kontaktfreudige Introvertierte mögen Menschen, doch sie fühlen sich oft überwältigt. Schüchterne Extrovertierte lieben Abenteuer, vermeiden aber Aufmerksamkeit.)
Homeoffice oder nicht?
Im Berufsleben kann man Introvertierte und Extrovertierte auch daran erkennen, wie sie am liebsten arbeiten. Menschen, die ihre Energie im Außen holen, tendieren eher dazu, Zeit in Meetings zu verbringen, in denen sie sich mit anderen intensiv austauschen können. Sie haben gerne einen vollen Terminkalender und fühlen sich auch in einem Großraumbüro nicht unbedingt unwohl. Im Homeoffice hingegen, gehen diese Menschen auf Dauer ein wie eine Pflanze, die nicht genügend Wasser bekommt.
Introvertierten Menschen hingegen ist ein Raum, bei dem sie die Tür nicht schließen können, sehr suspekt. Sie wirken lieber in einem kreativen Umfeld, gerne auch in der Natur, bleiben bei sich und lassen ihrer Fantasie freien Lauf. Oft kreieren sie dort wunderbare Konzepte oder Kunstwerke, die sie dann ganz stolz präsentieren. Diese Menschen sind im Homeoffice meist viel produktiver und vermissen den Austausch mit dem Kollegium nicht unbedingt.
Es ist also wichtig für Unternehmen, den Menschen die Umgebung zu bieten, in der sie brillieren können. 100 % Homeoffice für alle kann genauso schädigend sein wie ein Großraumbüro, in welchem ständig gequatscht wird.
Schon früh Homeoffice-fähig
Als ich als Kind zur Schule musste, fand ich diese zwar nicht schlimm und ich freute mich meist darauf, meine Freundinnen zu treffen. Doch immer öfters ertappte ich mich dabei, meine Mutter, die an manchen Tagen zu Hause bleiben konnte, zu beneiden. Ich stellte mir ihr Leben als Hausfrau sehr angenehm vor: Sie konnte sich ihre Zeit frei einteilen und tun, was sie wollte, hatte das Haus für sich alleine – und somit ihre Ruhe – und brauchte sich nicht an irgendwelche Regeln und Einschränkungen zu halten.
Schon damals hatte ich das Gefühl, zu Hause bei mir selbst besser aufgehoben zu sein als im Klassenraum. Und das zeigte sich im Laufe meines Berufslebens immer wieder. Die meisten meiner Jobs beinhalteten dennoch viel Interaktion mit Menschen. Ich war oft ein Bindeglied zwischen allen möglichen Abteilungen oder Personen. Mein Telefon klingelte laufend, ständig kam jemand an meinem Schreibtisch vorbei oder ich war sogar direkt im Kundenservice. Weil ich es konnte, schließlich hatte ich lange dafür trainiert.
All das machte mir eine Zeitlang Freude, ich war gut in meinen Jobs. Doch irgendwann hatte ich stets genug und zog weiter. Die ganzen Jahre über war mir nicht klar, dass es an den Rollen lag, die ich hatte, warum ich mich oft so ausgelaugt und gestresst fühlte – und mein Körper mit allen möglichen Wehwehchen reagierte.
Im Laufe der Zeit erkannte ich zwar immer besser, was ich wirklich brauchte, um zu „performen“ und gesund zu bleiben. Doch meist ließ sich das nicht umsetzen, weil der Job halt erforderte, dass ich ansprechbar und verfügbar war. Mein Bedürfnis nach Anerkennung von Außen stand mir dabei auch im Weg – es war ein Teufelskreis.
Corona zeigte es mir
Das Virus, das die Welt ab dem Jahr 2020 in Atem hielt, musste ja für vieles herhalten. Es fungierte als Brennglas, das unsere Aufmerksamkeit auf vieles lenkte, das schon lange vorher im Argen lag. Dinge, die wir versteckt gehalten, vor denen wir bewusst die Augen verschlossen oder die wir geleugnet haben, drängten sich mit aller Macht in den Vordergrund und blieben bis heute. Sie wollen endlich beachtet und gelöst werden.
Dasselbe galt für meine wahre Persönlichkeit. Ich habe mich mitten im ersten Corona-Jahr endlich aus meinem Kokon geschält und bin zum Schmetterling geworden. Der Prozess hat lange gedauert, und das war gut so. Denn um zu fliegen, muss man zunächst dringend Ballast loswerden. Sonst kann man nicht abheben.
Schon vor den allgemeinen Beschränkungen, die die Pandemie mit sich brachte, hatte ich den Impuls, mich für eine Weile in eine Hütte in Österreich zurück zu ziehen, um mich – mit Abstand – um mich selbst zu kümmern. Da die Grenzen geschlossen wurden, verfiel diese Option.
Den Wunsch, mich mit mir persönlich auseinanderzusetzen, wurde mir dennoch erfüllt. Als im März 2020 die ersten Ausgangsbeschränkungen galten, Präsenzveranstaltungen abgesagt wurden und das gesellschaftliche Leben in die eigenen vier Wänden bzw. ins Internet verlegt wurde, fühlte sich das für mich total stimmig an. Ich war regelrecht dankbar für diese Entwicklung.
Plötzlich war es gesellschaftsfähig, ja sogar notwendig, für sich zu bleiben und auf Abstand zu gehen. Es gab keinen „Zwang“ mehr, sich mit Menschen zu treffen oder an Veranstaltungen teilzunehmen. Ich musste also keine höflichen Entschuldigungen formulieren, wenn ich absagen wollte, noch fühlte ich mich gezwungen, mich irgendwo zu zeigen, obwohl ich viel lieber mit einem guten Buch zu Hause geblieben wäre.
Ich empfand es als sehr erleichternd und entlastend, keine terminlichen Verpflichtungen zu haben und mir gezielt Online-Events auszuwählen, die mir guttaten. Die Nebenwirkungen, dass die An- und Abreise wegfiel, ich mich nicht aufbrezeln musste und ich mich jederzeit ausklinken konnte, wenn es mir zu viel war, kamen mir sehr entgegen. Anfangs genoss ich all das einfach und war dankbar für die Zeit. Denn das Leben stellte mir große Aufgaben, die es zu lösen galt. Und dafür brauchte ich all meine Kraft und Energie.
Es irritierte mich, dass andere Menschen so sehr darunter litten, nicht mehr unter Leute gehen zu können. Manche erzählten mir, wie sehr sie das belastete und sie hielten sich an alles, nur nicht an die Regeln. Die Frage, die ich mir stellte, lautete: Sind diese Menschen denn nicht gerne mit sich selbst zusammen?
Ich stellte es mir sehr anstrengend vor, wenn einem die eigene Gesellschaft unangenehm ist oder nicht ausreicht. Jetzt, da ich besser verstehe, wie Extrovertierte ticken, ist mir klar, dass sie zunächst Energie von außen sammeln müssen, um sich mit sich selbst wohlzufühlen. Also genau andersherum als ich.
Das Buch: Still – Die Kraft der Introvertierten
Dieses Buch lief mir schon vor einigen Jahren über den Weg, als ich den Ted-Talk „The power of introverts“ von Susan Cain, der Autorin des Buches, sah. Doch gelesen habe ich es damals nicht. Ich fühlte mich ja nicht angesprochen. Jetzt las ich es endlich und schon auf den ersten paar Seiten verspürte ich eine sagenhafte Erleichterung, weil ich mich so sehr wiederfand. Und es zeigt, dass das Ent-decken und Ent-hüllen des eigenen inneren Kernes eine lebenslange Aufgabe ist. Den Test, den es auf Seite 28 gibt, habe ich mit Bravour als Introvertierte bestanden. Endlich.
Hier habe ich ein paar mehr Worte über das Buch von Susan Cain „verloren“. Besonders deutlich beschreibt sie, wie die Welt so laut wurde, wie sie heute ist. Der Ursprung ist, wie so oft, in den USA zu finden.
Nun zu dir: Hat dich das Lesen dieses Artikels vielleicht auf eine neue Spur deines Lebens und deiner Persönlichkeit gebracht?
Falls ja, schreib mir gerne – ganz direkt und ohne Publikum.
Deine Gabriele
Wir schwingen auf der #Schmetterlingsfrequenz.
Wer vollkommen bei sich selbst ankommen will, nimmt sich Schmetterlinge als Vorbild: Sie ent-falten sich und zeigen der Welt ihre Farben beim Fliegen.
Auf der Schmetterlingsfrequenz gibt es keinen hinderlichen Ballast mehr. Nichts hält dich davon ab, ein erfülltes Leben zu führen.
Starte zur Schmetterlingsfrequenz
Über Gabriele Feile:
Gabriele ist angekommen auf der #Schmetterlingsfrequenz und erfüllt ihre Lebensaufgabe.
In ihrem Buch „Schmetterlinge fallen nicht vom Himmel“ erzählt sie, wie ihr das gelang.
Sie ist sich sicher: Je mehr Menschen so sind, wie sie gedacht sind und tun, wofür sie gemacht sind, je ausgeglichener und friedlicher ist die Welt.