Der Tod und ich

Wenn du schon in der zweiten Hälfte des Lebens angekommen bist, weißt du was ich meine: Du kennst immer mehr Menschen, die sterben. Es sind alte Menschen, doch auch jüngere und ganz junge Menschen sind darunter.

Gerade in letzter Zeit scheint es mir wieder so, als ob die unerwarteten Todesfälle zugenommen hätten. Egal, ob Unfälle, Herzinfarkte oder Hirnblutungen – es trifft alle Generationen. Ganz zu schweigen von den Todesfällen, die auf Krebs oder ähnlich schwere Krankheiten zurückgehen.

Ein ähnliches Gefühl wie derzeit hatte ich auch vor rund 10 Jahren, als ich gerade 40 war. Damals habe ich mich aufgrund dieser gehäuften Erlebnisse intensiv mit meinem Leben beschäftigt. Ich wollte unbedingt sicherstellen, dass ich nicht „umsonst“ gelebt habe und machte mich auf, meine Lebensaufgabe zu entdecken.

Letztendlich hat mir also die Konfrontation mit dem Tod geholfen, mich selbst zu finden und den Sinn meines Lebens zu erkennen. So konnte ich im Jahr 2020 mein Buch beginnen und meinen Kokon verlassen. Seither bin ich „die mit dem Schmetterling“ und habe die Schmetterlingsfrequenz entdeckt.

Nun bin ich 50 Jahre alt, und die neuen Erfahrungen bringen mich eher dazu, mich mit meinem Tod zu beschäftigen. Ich mache mir Gedanken darüber, was passiert, wenn ich so unerwartet sterbe, wie die Menschen, bei deren Trauerfeier ich in den letzten Jahren war.

 

  • Wer wird sich um mein Begräbnis kümmern?
  • Wie soll es ablaufen?
  • Was wird aus meinen Besitztümern?
  • Wer soll etwas erben (wenn es etwas gibt)?
  • Was ist mit meinen Online-Präsenzen?
  • Und was von all dem kann ich selbst schon jetzt entscheiden und erledigen?

 

Diese Fragen sind natürlich auch dann relevant, wenn ich noch weitere 40 Jahre lebe. Doch weil ich nicht weiß, wie es mir bis dahin gesundheitlich (und geistig) gehen wird, habe ich im Sommer spontan beschlossen, meine Angelegenheiten zu regeln. Schritt für Schritt und ohne Druck.

 

Selbstbestimmt leben und selbstbestimmt sterben

 

Angefangen habe ich mit einer Adressliste in Excel. Darin stehen all die Menschen, die über meinen Tod informiert werden sollen. Denn: Durch meine häufigen Umzüge leben meine Freunde und Bekannten nicht alle im Einzugsgebiet der Lokalzeitung, in der vermutlich die Todesanzeige erscheinen wird.

Damit sie dennoch über mein Ableben informiert werden, sollen sie eine E-Mail bekommen. Ich habe mir vorgenommen, diese Liste halbjährlich zu aktualisieren. Das heißt: Neue persönliche Kontakte landen recht schnell in dieser Excel-Tabelle. Manche fallen raus.

In den kommenden Monaten werde ich mich mit weiteren Fragen zu meinem Tod auseinandersetzen. Ich habe nämlich das Gefühl, dass es mich mental entlastet, wenn nicht dauernd diese Ungewissheit mitschwingt, wie das wohl alles werden wird. Als kinderlose Frau kann ich mich nicht einfach darauf verlassen, dass es meine Nachkommen schon richten werden, so wie meine Eltern das noch getan haben.

Hinzu kommt: Wer, wie ich, ein selbstbestimmtes Leben führt, der sollte auch ein selbstbestimmtes Ableben und im Fall des Falles auch ein selbstbestimmtes Sterben zum Ziel haben. Das ist nur schlüssig.

weißes Gebäude mit 2 verschlossenen Fensterläden mit Herzöffnungen

Der „Trend“ aus Schweden: „Döstädning“ (Death Cleaning)

 

„Döstädning“ setzt sich aus den Worten „dö“ (Tod) und „städning“ (aufräumen oder saubermachen) zusammen. Im Deutschen könnte man im saloppen, schwedischen Stil sagen: Todesputz – ohne es makaber zu meinen, aber halt durchaus morbid ;-). Im Prinzip geht es um das Ausmisten vor dem Tod. Und das kann durchaus schon in jungen Jahren passieren.

Die Schweden, eigentlich alle Skandinavier, sind mir schon lange sympathisch. Nicht erst, seit ich bei einem Gentest herausfand, dass der größte Teil meiner Gene (ein Viertel) skandinavisch ist. Aus diesem Grund hat mich auch dieser „Trend“ gleich angesprochen. Die Wikingerin in mir stellt sich furchtlos ihren Aufgaben.

Bekannt wurde der Trend durch das Buch der Autorin Margareta Magnusson Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen.

Sie hat mit ihrem Todesputz begonnen, als ihr Mann in hohem Alter starb und sie seinen Nachlass ordnete. Sie empfiehlt uns aus dieser Erfahrung heraus, so früh wie möglich damit zu beginnen.

Dabei betont die Schwedin, dass dies keine traurige Angelegenheit sei. Ganz im Gegenteil: Es ergeben sich schöne Gelegenheiten, um in Erinnerungen zu schwelgen, wenn man den eigenen Besitz schon zu Lebzeiten verkleinert. Außerdem ist Magnusson, genau wie ich, überzeugt: „Je weniger Zeug man hat, desto mehr Zeit bleibt fürs Leben.“

Damit sind auch die Angehörigen gemeint, denen so die schmerzliche Last des Ausmistens erspart bleibt. Gerade in Trauerphasen kann das eine Qual sein.

Denn: Das Auflösen eines Hausstands macht niemandem Freude. Speziell bei nahen Angehörigen kann das sogar eine sehr emotionale Angelegenheit sein. Es den eigenen Nachkommen oder Verwandten zu ersparen, sich viele Gedanken und Arbeit zu machen, ist deshalb ein wichtiger Punkt des Döstädning.

Zudem ist es viel schöner, noch zu Lebzeiten materielle Dinge zu verschenken, als darauf zu vertrauen, dass sie nach dem eigenen Tod schon in gute Hände kommen werden. Natürlich musst du nicht alles hergeben. Aber du kannst überlegen, welche deiner Möbel, Pflanzen und Lieblingsstücke nach deinem Tod an wen gehen sollen. Am besten, du legst das schriftlich fest.

Wir müssen auch ganz realistisch sein und uns klar sein: Viele unserer liebgewonnenen Besitztümer will niemand haben. Weil die meisten Menschen selbst gut ausgestattet sind, wie etwa mit Haushaltsgegenständen. Oder weil Geschmäcker verschieden sind. Zudem sind Sentimentalitäten anders verteilt. Erinnerungen, die wir mit Gegenständen verbinden, sind bei anderen Menschen nicht vorhanden.

Magnusson empfiehlt übrigens, sehr persönliche und intime Dinge, die für andere wertlos sind, separat zu verpacken und zum direkten Wegwerfen zu kennzeichnen. Damit stellt man auch sicher, dass sie nicht in falsche Hände kommen.

Wenn du mit dem Loslassen und Ausmisten geübt bist, wirst du dich leichter tun mit dieser Aufgabe. Auch, wenn du oft umgezogen bist, weißt du, wie viele Dinge sich ansammeln und hast Übung im Entscheiden und Loslassen. In diesem Beitrag kannst du im andern Fall Tipps finden, wie du Ballast loslässt und dein Leben aufräumst.

 

Welche Aufräum-Methoden passen zu dir?

 

Ob Marie Kondo, Fengshui oder Minimalismus: Es gibt sehr viele Wege, um dein Leben aufzuräumen. Wie du das Aufräumen, Ausmisten und Loslassen gestaltest, das darfst du selbst bestimmen. Auch das Tempo bleibt dir selbst überlassen. Du wirst vermutlich spüren, dass du irgendwann im Flow bist und es gar nicht mehr lassen kannst. Der Gedanke, dafür zu sorgen, dass du „aufgeräumt“ stirbst und niemandem eine Last hinterlässt, kann als Motivation dienen. Vor allem, wenn du dich bisher eher schwertust mit dem Loslassen.

Auch sollten wir bedenken: Viele von uns werden im Alter wohl in einem Seniorenheim leben. Dort haben wir vermutlich ein kleines Zimmer, in das nicht allzu viel passt. Auch dorthin können wir also nicht alles mitnehmen, was uns lieb und teuer ist.

Ab einem gewissen Alter sollten wir auch verinnerlicht haben: Nicht mehr so viel kaufen! Es nützt nicht viel, wenn leer gewordener Raum wieder mit Dingen gefüllt wird. Leere Schränke, Regale und Boxen sollten am besten auch gleich entsorgt werden. So entsteht Raum in der Wohnung oder im Haus für die Dinge, die kaum Material brauchen, etwa für Gymnastik, Yoga oder Tanzen! Und viel nachhaltiger ist es auch.

Vor dem Sterben eine ordentliche Buchhaltung übergeben

 

Wichtig für den Todesputz ist es auch, den Hinterbliebenen wichtige Unterlagen und Informationen sauber zu hinterlassen. Angefangen bei Vollmachten und Patientenverfügung, über Infos zu Finanzen und Verträgen bis hin zu Hinweisen für die Beerdigung und den zu beauftragenden Bestattungsdienst. Auch ein Lebenslauf ist hilfreich für die Trauerrede, gerne mit einem Foto.

Vor kurzem erzählte mir eine Bekannte, dass sie eine Frau kennt, die zu allen Verträgen bereits die Kündigungen formuliert und unterschrieben hat. Es muss nur noch das Datum eingetragen werden, wenn es so weit ist. Das ist natürlich ein besonders guter Service.

Alles Wichtige sollte an einem leicht zugänglichen Ort aufbewahrt sein. Profis regeln alles schon vorab mit einem Bestattungsdienst oder benennen eine Person, die den Nachlass verwaltet.

Sich mit den eigenen Unterlagen zu beschäftigen, hat ja zu Lebzeiten schon viele Vorteile. Wenn diese dann so geordnet sind, dass auch Außenstehende auf einen Blick wissen, wie der Status ist, werden diese sehr dankbar sein.

 

Mit all diesen Vorkehrungen in Frieden leben und sterben

 

Mir selbst hat schon das Schreiben dieses Textes mehr inneren Frieden gebracht. Ich habe vieles von dem noch nicht vollendet, auch wenn ich mit dem Ausmisten sehr konsequent bin und schon sehr viele Gegenstände neuen Zwecken zugeführt habe. Besonders meine Phase im Kokon war dazu geradezu prädestiniert. In meinem Buch „Schmetterlinge fallen nicht vom Himmel“ kannst du mehr dazu lesen.

Als Schmetterling wartet auf mich nun die Organisation meines eigenen „Trauerfalls“ – übrigens inklusive Fragen zu ökologischer Nachhaltigkeit. Denn auch Sterben kann man umweltfreundlich.

Dieses Projekt werde ich nach und nach umsetzen. Vielleicht erzähle ich bald davon. Ein Buch wird’s wohl nicht werden.

 

Deine Gabriele

 

PS: Noch einen Schritt weitergehen: Christa Hamm-Naacke erzählt in ihrem Gastartikel, wie selbstbestimmt Sterben ablaufen kann.

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