Für sein Thema trommeln – und dabei ganz viel (über sich) lernen
Halleluja!
Das lese ich auf der Website von GISA, einem IT-Dienstleister in Halle/Saale – und finde das ziemlich selbstironisch und erfrischend. Und es passt so gut, denn mit Robby Braune, der Bereichsleiter bei GISA ist, spreche ich heute über seine Erfahrungen mit dem ersten Working Out Loud (WOL) Circle im Unternehmen. „Man trommelt dabei für sein Thema“, klärt mich Robby auf. Halleluja!
Klar habe ich von WOL schon gehört und gelesen, aber eher aus der Ferne. Jetzt freue ich mich darauf, von einem, der es getan hat, zu erfahren, wie es war. Robbys WOL-Circle ging gerade letzte Woche zu Ende, das heißt, sein Resümee ist noch ganz frisch und frei.
Und so fing alles an
„Eine Kollegin in der Unternehmensentwicklung hatte bereits Erfahrung mit Working Out Loud, und sie initiierte den ersten Zirkel bei uns im Unternehmen“, erzählt Robby. „Sie fand vier KollegInnen und übernahm die Leitung des Zirkels. Wir kannten uns vorher unterschiedlich gut, hatten aber alle großes Interesse daran, etwas Neues auszuprobieren.“
Working Out Loud geht ursprünglich auf Bryce Williams zurück. John Stepper entwickelte die Methode weiter und stellte sie im Jahr 2015 in seinem gleichnamigen Buch vor. Kurz gesagt geht es bei WOL darum, in Beziehungen zu anderen zu investieren und durch diese ausgeprägten Beziehungen eine neue Fähigkeit zu entwickeln oder ein neues Thema zu entdecken. Die Natur der Themen ist dabei jedem selbst überlassen: es kann sich um ein Hobby oder um ein berufliches Feld handeln.
Den wichtigsten Kern macht Robby deutlich: „Man netzwerkt nicht, um etwas zu bekommen, sondern man gibt anderen etwas und entwickelt sich dabei automatisch weiter.“
Robby hatte sich das Thema „Motivation in agilen Teams“ ausgewählt, wobei er ehrlich zugibt: „In erster Linie wollte ich die Methode kennenlernen, das Thema selbst wurde im Verlauf des WOL weniger wichtig.“
Der Rahmen
12 Wochen dauert jeder WOL-Circle, und die Teilnehmer verpflichten sich gemeinsam zu einem passenden Rahmen. „Anfangs haben wir uns wöchentlich getroffen, gelegentlich auch per Skype, doch nach einer Weile änderten wir den Rhythmus auf 14-tägig. Denn: es war doch ganz schön viel zu tun.“
Jedes Treffen des Zirkels dauerte anderthalb Stunden, hinzu kam jeweils dieselbe Zeit als Vorbereitung. Dafür aktiviert man sein Netzwerk und bringt dann die gewonnenen Erkenntnisse mit. Und weil das Thema permanent in einem arbeitet, findet man ständig und überall Impulse. „So bin ich auch auf den Klub der Kommplizen gestoßen, obwohl ich mich an den Moment im Detail nicht mehr erinnern kann!“ erzählt mir Robby sehr enthusiastisch.
Jeder WOL-Circle folgt einem Leitfaden und den dort festgelegten Schritten. Die Aufgaben mögen anfangs nicht so klar erscheinen, aber am Ende ergeben sie alle einen Sinn.
Eine denkwürdige Aufgabe
Eine Aufgabe blieb Robby ganz besonders im Gedächtnis. In der 5. Woche lautete sie: Schreibe 50 Dinge über dich selbst auf! „Das habe ich anfangs ziemlich unterschätzt“, erinnert sich Robby. „Ich wollte nicht einfach meine persönlichen Zahlen, Daten, Fakten aufschreiben, sondern habe nach Anekdoten aus meinem Leben gesucht. Um den Überblick zu behalten, habe ich eine Wiki-Seite angelegt. Doch: nach 25 Punkten war erstmal Schluss!“
Nach und nach erreichte er schließlich 50 Punkte und weil er die Datei weiter pflegt, hat er jetzt schon über 60 Dinge über sich selbst aufgeschrieben!
„Als wir uns getroffen haben, hat jeder seine 50 Punkte vorgelesen und plötzlich erfuhren wir Dinge von den anderen, die wir uns bis dato nicht vorstellen konnten. Mit einem Kollegen ergaben sich viele Verknüpfungen, zum Beispiel, dass ich täglich durch seinen Geburtsort fahre, dass unsere Freundeskreise sich überschneiden und dass ich jemanden kenne, der in seinem Haus wohnt. Unglaublich! Dafür wissen jetzt alle, dass ich gerne Eierlikör trinke“, grinst Robby.
Miteinander reden – und zwar persönlich
Diese Übung bewirkte sehr viel im GISA-WOL-Circle: Das Verhältnis untereinander wurde wesentlich enger, auch weil die besprochenen Dinge im Zirkel blieben. Alle haben für sich selbst erfahren, warum sie so sind, wie sie sind, was sie prägt und was all das dem Netzwerk nützt. Robby verrät: „Die Termine, die nach diesem Treffen folgten, fühlten sich noch vertrauter an.“
Dieses persönliche Verhältnis zu anderen Menschen interessiert ihn besonders. Er transferiert das hier Gelernte zum Beispiel in seine Mitarbeit beim halbjährlichen Treffen aller neuen Mitarbeiter bei GISA. Sein Thema dort ist die Kommunikation, und er ermuntert die „Neuen“ zum Beispiel dazu, offen und klar zu kommunizieren, anstatt ihren Chef/ihre Chefin bei E-Mails in CC zu setzen.
Obwohl (oder weil) GISA ein IT-Unternehmen ist, wird dort sehr viel Wert auf persönlichen Kontakt gelegt. „Gespräche von Angesicht zu Angesicht werden immer vorgezogen. Falls das nicht geht, nehmen wir das Telefon oder nutzen Skype mit Kamera.“ Das finde ich sehr sympathisch.
Was alle gelernt haben
Am Ende des WOL-Circles blicken Robby und seine Mitmacher sehr positiv zurück. Besonders beeindruckt hat alle, dass die Bereitschaft, einer Gemeinschaft etwas zu geben, viel weniger mit kommerziellen Gedanken verbunden ist, als man denkt. Robby führt aus: „Der Nutzen, den jeder von uns hat, kann viel höher bewertet werden, als die Tatsache, ob man durchs Netzwerken Kunden gewinnt. Es ist sehr erfüllend, wenn man jemanden unterstützen kann und darf.“
Gleichzeitig merkten alle, dass sich das eigene Netzwerk nicht immer für das persönliche Thema eignet. Durch das Fokussieren auf ein Thema, „optimiert“ man aber sein Netzwerk und lernt die passenden Menschen kennen.
„Das geschah zum Beispiel, als meine Kollegen im Zirkel mir Links empfahlen, die ihnen begegnet sind und die sie mit mir und meinem Thema in Verbindung brachten“, schwärmt Robby und gibt zu: „Manche der Übungen im Zirkel schienen mir ziemlich „esoterisch“. Die Motivation für den Brief an unser zukünftiges Ich zum Beispiel, erklärt sich erst im Laufe des WOL.“ Der Gruppendruck motivierte ihn jedoch dazu, auch diese Aufgabe zu meistern.
Persönlich hat Robby die Mitwirkung im WOL-Circle sehr viel gebracht. „Ich fand Rückhalt für mein persönliches Bild von Führung und glaube nun noch mehr daran, dass es eine Mindset-Anpassung für eine positive Änderung in der Berufswelt gibt. Es geht immer weniger darum, Menschen beispielsweise auf eine Stellenbeschreibung zu entwickeln, sondern sie dabei zu unterstützen, ihre eigene Persönlichkeit zu formen und ihre intrinsische Motivation zu stärken und einzusetzen. Dann findet Jede und Jeder den richtigen Platz.“
Das Führungsverständnis bei GISA
Wie geht man denn bei GISA damit um, wenn sich Menschen weiterentwickeln und eine neue Rolle suchen?
Diese Frage brennt mir unter den Nägeln, und Robby hat eine Antwort:
„Wir ermöglichen es dem Einzelnen, sich intern zu verändern, auch wenn das heißt, dass wir selbst im Team eine Lücke haben, die wir vorerst nicht besetzen können.“
GISA befindet sich mitten in der Transformation und unterstützt auch interne Wechsel, um die persönliche Entwicklung zu fördern. Treiber treiben lassen, ihnen Freiheiten geben und gleichzeitig ein Sicherheitsgefühl vermitteln, das sind die Grundsätze bei GISA. Auf den Schreibtischen stehen Aufsteller, auf die diese Führungsgrundsätze gedruckt sind – von allen Führenden unterschrieben und für alle immer sichtbar:
Sich selbst überflüssig machen
„Führung ist heute nur noch legitim, wenn sie die Selbstführung der anvertrauten Mitmenschen zum Ziel hat.“ Götz W. Werner
Das ist ein Lieblingszitat von Robby, und er vertritt es glaubhaft mit dem, was er tut. Robbys Bereich, der aus 30 Personen in zwei Teams besteht, arbeitet bereits einige Jahre agil und selbstorganisiert und hat das Thema zentral im Unternehmen unterstützt. Er selbst wird also immer weniger gebraucht, und das ist gut so, findet er. „Letztlich ist das Ziel, sich durch die Selbstorganisation in den Teams überflüssig zu machen.“
Das Zwischenziel auf dem Weg dorthin hat Robby übrigens erreicht: Die Motivation in seinem Team hat sich verändert. „Allerdings nicht unbedingt durch meine Aktivitäten im WOL-Circle“, gibt Robby zu. „Das Team formt sich ganz unabhängig davon und findet größere Aufgaben.“
Zum Schluss: gute Nachrichten
Der WOL-Zirkel aus Halle hat einen New-Work-Kreis in Leipzig mit dem Working Out Loud – Fieber angesteckt. Und Zirkel Nummer 2 bei GISA ist auch schon gestartet.
Halleluja
– jubelt deine Kommplizin Gaby Feile
Über Robby Braune:
Robby ist seit mehr als vier Jahren bei GISA und seit gut zwei Jahren für den Bereich User Experience & Portale verantwortlich. Sie bauen Portale für Unternehmen (z.B. Energieversorger), auf denen deren Kunden ihre Daten und Verträge selbst verwalten können. Die tatsächlichen Nutzer der Portale sind also die „Hauptpersonen“ bei der Entwicklung von Lösungen. „Wenn wir das wirkliche Problem des Kunden nicht klären, raten wir auch mal ab und verzichten auf ein Projekt“, so Robby.
Robby beantwortet übrigens gerne deine Fragen zum Thema Working Out Loud. Du kannst ihn direkt kontaktieren:
Über den Klub der Kommplizen:
Sobald echte Kommplizinnen und Kommplizen zusammen kommen, passiert etwas Magisches: Ihre Talente, ihre Beherztheit und ihre Schaffensfreude verschmelzen. Sie vollbringen Dinge, die atemberaubend und weltbewegend sind. Und zum Nachmachen Lust machen.