Tausendundeine Erleuchtung – Teil 2
Führen kann man nicht alleine
Teil 1 verpasst? Hier vorher lesen!
Eine Mitarbeiterversammlung in Dubai, im März 2009
Der Ort: der Ballsaal eines 5-Sterne-Luxus-Hotels
Anwesend: Geschätzt 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Grund: Es gibt Neuigkeiten
Dass der Ballsaal kein Tageslicht hat, ist heute nicht tragisch. Denn der Raum ist abgedunkelt. Es gibt eine Bühne, hinter der eine Riesenleinwand hängt. Neben dem Hotellogo, das von der Leinwand leuchtet, steht die Losung Yes! We! Can!
Der Raum füllt sich langsam. Es kommen Mitarbeitende aus allen Bereichen des Hotels in ihren eleganten Uniformen, die alle einen arabischen „Touch“ haben. Und sie tragen alle stolz ihre Anstecknadel mit dem goldenen Logo des Hotels am Revers.
Bis auf diejenigen, die die Stellung in den Abteilungen halten müssen, sind die meisten da. Auch viele, die eigentlich frei haben, haben sich auf den Weg ins Hotel gemacht. Denn heute erwartet sie was Besonderes: Ihre Kolleg:innen wollen ihnen erzählen, was sie bei ihrem Treffen in der Royal Suite vor einigen Tagen erlebt haben. Entsprechend spürt man die Spannung. Statt lautem Getratsche in allen möglichen Sprachen, hört man heute nur halblaute Anmerkungen und schaut in glänzende Augen.
Pünktlich um 14:30 Uhr werden die Türen geschlossen und Musik setzt ein: Conquest of Paradise, die Titelmelodie aus dem Film „1492“, die schon Henry Maske zum „Aufwärmen“ nutzte. Spätestens jetzt klopfen alle Herzen schneller – Musik kann so was bewirken!
Als die Musik leiser wird, erklingt eine Stimme im Raum:
(Original-Text mit Original-Stimme)
Den letzten Satz sprechen viele aus dem Publikum laut mit!
Auf der Leinwand bewegt sich nach einer kurzen Stille etwas. Man sieht wie Rocky Balboa durch Philadelphia läuft und ihm immer mehr Menschen folgen:
Während der Film läuft und das Publikum in seinen Bann zieht, schreiten rund 20 Personen nacheinander durch den Raum zur Bühne und stellen sich dort mit dem Rücken zum Saal nebeneinander auf. Als das Video zu Ende ist, drehen sie sich um, und das Licht im Saal geht an. Gleichzeitig öffnet sich die Tür und herein kommt kein Geringerer als Rocky Balboa.
Zu „Eye of the tiger“ tänzelt er im Bademantel und mit Boxhandschuhen zur Bühne, und dort, im Licht, erkennen ihn die meisten: Es ist der französische Restaurantleiter, der wirklich ein bisschen Ähnlichkeit mit Rocky hat . Er spricht zur Menge und heizt sie an – mit charmantem Akzent. Das Publikum jubelt.
Das ist ein echter Gänsehautmoment!
In dieser elektrisierenden Stimmung folgt der nächste Höhepunkt. Auf der Bühne geht eine Person nach der anderen einen Schritt nach vorne ins Scheinwerferlicht und stellt den Anwesenden eine Frage. Die Antwort auf jede Frage lautet: YES! WE! CAN! Und bereits nach der zweiten Frage sprechen nahezu alle Zuschauenden die Antwort voller Inbrunst mit. Als hätten sie es vorher geprobt.
Als die Reihe am letzten Mitarbeiter ist, fragt dieser: Can the members of the management team join us here on stage?
Yes! We! Can! war die eindeutige Antwort und rund 25 Abteilungsleiter:innen kommen zusätzlich auf die Bühne. „Eye of the tiger“ ertönt in voller Lautstärke.
Das perfekte Finale!
Das Publikum jubelt, und wer nicht schon stand, springt spätestens jetzt von seinem Stuhl auf, um frenetisch zu applaudieren. Die Protagonist:innen auf der Bühne genießen die Stimmung sichtlich.
Es dauert eine Weile, bis sich der Lärm legt, und dann geht es weiter zum informativen Teil der Show. Auf dem Sofa nehmen zwei der Verantwortlichen der Yes! We! Can! – Gruppe Platz. Der Moderator stellt sie vor als Aman und Gabriele und stellt ihnen ein paar Fragen.
Sie erzählen, was vor einigen Tage in der Monarch Suite passiert ist, wie die Stimmung war und welche Ideen dabei herauskamen. Als sie zum Ende kommen, rufen sie alle Kolleginnen und Kollegen dazu auf, sich der Gruppe anzuschließen. Und man sieht es an den Gesichtern im Publikum: viele wollen genau das. Der Funke ist übergesprungen!
Diese wohl einmalige Mitarbeiterversammlung geht nach knapp einer Stunde zu Ende. Beim Verlassen des Ballsaals darf jeder noch in kleine Körbe greifen, die ein paar an den Türen postierte Mitarbeiter bereit halten. Auf den Zetteln zum Mitnehmen steht: Yes! We! Can!
Und in den Augen der Mitarbeiter sieht man, dass sie es glauben.
Wie das Adrenalin weiter wirkte
Wir, die ursprüngliche Truppe der Bewegung, gönnten uns nur wenig Pause. Natürlich waren wir stolz auf unseren Auftritt. Und wir freuten uns ungemein, dass unsere Energie auf unsere Kolleg:innen so ansteckend wirkte. Der nächste Schritt für uns war: Mitmacher und Mitmacherinnen finden. Wir hängten Listen aus, in die sich Interessierte eintragen konnten, und zwar je nach Interesse und Schwerpunkt.
Die Listen füllten sich schnell, und selbst als wir sie abnahmen, kamen immer wieder noch Leute auf uns zu, die dabei sein wollten. Man spürte, dass sie einfach gerne etwas beitragen wollten, um das Hotel erfolgreich zu machen. Die Alternative war für die meisten viel zu beängstigend: Wenn sie ihren Job verloren hätten, hätten sie zurück in ihre Heimat gemusst, weil der Arbeitsmarkt im Land zu dieser Zeit nicht gerade rosig war.
Aufteilung nach Themen und Interessen
Vorab hatte ich vier Gruppen gebildet und jeweils einen Sprecher bzw. Sprecherin dafür gewonnen. Ich machte das persönlich mit den Leuten aus, von denen ich wusste, dass sie es gerne machten und sie das nötige Talent zum Führen mitbrachten. Alle vier sagten sofort ja. Der Trainingsmanager und ich standen jeweils zwei Gruppen als zusätzliche Ansprechpartner zur Verfügung.
So sah das aus:
Einmal monatlich trafen sich alle Beteiligten in großer Runde, und wir besprachen die Erfolge. Diese stellten sich ziemlich schnell ein, weil wirklich jeder, der eine Idee hatte, diese auf den Tisch brachte und umsetzte. Es ging nicht um Budgets und harte Fakten, es ging darum, kreative Lösungen zu finden, die sofort spürbar waren.
Und damit alle immer Bescheid wussten, was passierte, habe ich alle paar Wochen eine Übersicht erstellt und verteilt, auf der alle sehen konnten, welche Ideen umgesetzt wurden:
Und wie lief das Projekt so?
Am Anfang war die Motivation wirklich sehr hoch, und wir schafften richtig viel. Wie so oft bei solchen Marathon-Projekten, ging vielen Teilnehmenden irgendwann die Puste aus. Sie kamen nicht mehr so oft zu den Besprechungen, hatten vielleicht gemerkt, dass sie nicht „in Form“ sind, um weiter zu machen oder verließen sogar das Hotel. Auch die Gruppensprecher:innen wurden mehr und mehr vom Tagesgeschäft eingeholt. Und das war eine gute Nachricht, weil das bedeutete, dass sie sich um die Gäste kümmern mussten, die uns Einnahmen bescherten. Der Effekt war also da.
Kurzum: Nach einigen Monaten war die Euphorie auf ein Normalmaß gesunken. Und ich gebe zu, auch bei mir war die Luft etwas raus. Und zwar nicht, weil ich keine Ideen mehr hatte, sondern weil ich merkte, dass es immer schwieriger wurde, die Leute zum Weitermachen zu aktivieren. Dieses Phänomen kennst du vielleicht. Sich dann selbst immer wieder zu motivieren kann sehr kräftezehrend sein. Vor allem, wenn man noch andere Aufgaben hat.
Was geholfen hätte
Rückblickend kann ich sagen, dass es mir sehr geholfen hätte, wenn ich auf Augenhöhe noch ein paar Kommplizen gehabt hätte, sodass ich nicht alleine die Verantwortung hätte tragen müssen, um die Sache am Laufen zu halten. Mein Chef hielt sich ziemlich raus, die anderen Führungskräfte waren teilweise nicht mehr da (ein Schelm, der Böses dabei denkt), und die operativen Kolleg:innen hatten einfach viel zu tun.
Vielleicht wurde damals der Samen für den Klub der Kommplizen gepflanzt.
Die Langzeitwirkung: unbezahlbar
Im Frühjahr 2015 flog ich das erste Mal seit meinem Weggang wieder nach Dubai. Und natürlich schaute ich an meiner damaligen Wirkungsstätte vorbei. Das Hotel hieß mittlerweile anders, hatte sich neu positioniert und die meisten Kollegen von damals waren längst in alle Welt verstreut. Aber es war immer noch so schön, wie in meiner Erinnerung: definitiv der schönste Arbeitsplatz, den ich je hatte.
Als ich ankam, glaubte ich, meinen Augen nicht zu trauen. Auf mich wartete ein roter Teppich!
Gut, es klärte sich schnell auf, dass der Teppich nicht für mich war, sondern für einige sehr honorige, lokale Gäste, die an einer großen Veranstaltung teilnahmen. Entsprechend „busy“ war es im Hotel. Kaum jemand hatte Zeit, sich um mich zu kümmern. Das machte mir nichts, ich bewegte mich wie selbstverständlich durch die Räume. Und ganz in der Nähe von meinem früheren Büro, das gleich um die Ecke der Bibliothek war, traf ich das erste bekannte Gesicht. Ich wusste den Namen des Kollegen nicht mehr, aber er meinen. Und er hatte Zeit und brachte mich zu den Kollegen, die mich noch kannten.
Und siehe da: Es dauerte nicht lange, bis der Erste von ihnen mit einem Strahlen sagte: Welcome Ms Gaby. Yes! We! Can!
Und was glaubst, du, wie mich das zum Strahlen brachte? Spätestens jetzt wusste ich, dass ich damals alles richtig gemacht hatte, als ich im Meeting die Hand hob und sagte: „Ich mach es!“
PS: Die Veranstaltung haben wir übrigens in Eigenregie auf die Beine gestellt: Der Konferenztechniker sorgte für professionelle Technik, die Musik hat einer der Barmanager zusammengestellt, das Video kam vom Trainingsmanager, den Bademantel besorgte das Housekeeping und die Boxhandschuhe gab’s im Fitnessclub. Ach ja und die Küche versorgte uns mit Kuchen. In einem Hotel zu arbeiten ist einfach grandios!
Teil 1 der Geschichte verpasst? Hier lesen.
Alle Fotos und Grafiken: Gabriele Feile
Wir schwingen auf der #Schmetterlingsfrequenz.
Wer vollkommen bei sich selbst ankommen will, nimmt sich Schmetterlinge als Vorbild: Sie ent-falten sich und zeigen der Welt ihre Farben beim Fliegen.
Als Anlauf und Startbahn sind Brücken ideal. Denn sie verbinden dich sicher mit der #Schmetterlingsfrequenz. Dort gibt es keinen hinderlichen Ballast mehr. Nichts hält dich davon ab, ein erfülltes Leben zu führen.
Über Gabriele Feile:
Gabriele ist angekommen auf der #Schmetterlingsfrequenz und erfüllt ihre Lebensaufgabe.
In ihrem Buch „Schmetterlinge fallen nicht vom Himmel“ erzählt sie, wie ihr das gelang.
Sie ist sich sicher: Je mehr Menschen so sind, wie sie gedacht sind und tun, wofür sie gemacht sind, je ausgeglichener und friedlicher ist die Welt.